Warum ich nicht mehr Lehrer bin

Ein Berufsstand verzweifelt an tausend Ansprüchen.

Mit der Einführung von Schulleitungen, erzählte hier jeder im Lehrerzimmer, war die Papierflut erst richtig angeschwollen. Bald habe ich die Schulleitungen auch selber als System kennengelernt, dessen Aktionismus in erster Linie der Rechtfertigung der eigenen Existenz dient. Und zur Kontrolle der Lehrerschaft. Aber sicher nicht zu deren Entlastung. Sorry, aber in den Schulleitungen sitzen nach meiner Erfahrung vor allem Leute, denen das Unterrichten zu mühsam geworden ist. Die sind aus den Schulzimmern in die Chefbüros geflüchtet. Es ist die einzige Karrierechance.

Es war nicht der Vandalismus, der mich nach zwei Jahren zur Kündigung an dieser Schule bewog. Es war auch nicht der hohe Ausländeranteil von 40 Prozent, was jeden Unterricht doppelt schwierig macht, weil der Lehrer auch Erzieher sein muss. Was mich zermürbt hat, war das Schulmodell an dieser Oberstufe. Jeder einzelne Schüler wurde je nach Leistungsfähigkeit in einem Fach weiter oben und in einem anderen Fach weiter unten eingeteilt. Man wollte damit jedem Kind individuell gerecht werden, man wollte flexibel sein, die Stufen durchlässig machen. Klingt alles gut – theoretisch. In der Praxis war es eine Katastrophe. Alle vier Monate wurde umgestuft. Drei Kinder in Mathematik ein Niveau rauf, fünf in Französisch runter, sechs rauf, vier in Deutsch rauf und vier runter – ein ewiges Hin und Her, jedes Mal gab es Sitzungen, Papiere, Elterngespräche, Rekursdrohungen, wieder Sitzungen, und dies alles nebst der normalen Schularbeit. Vor allem aber brachte dieses Modell eine enorme Unruhe in die Klassen, weil sich erstens die Zusammensetzung dreimal pro Jahr änderte und zweitens die Schüler immer wieder andere Lehrpersonen hatten. Dabei fehlt diesen Jugendlichen nichts mehr als stabile Strukturen, verlässliche Beziehungen, Konstanz.
dasmagazin.ch