Matthias Matussek: Die Gegenwut

Was all die Ausgrenzungstechniker nicht begreifen, ist, daß sich das, was Sarrazin verkörpert, nicht ausgrenzen lässt.
Es ist die Wut von Leuten, die es satt haben, das Mittelalter in ihre Gesellschaft, die einen langen und mühevollen Prozeß der Aufklärung hinter sich hat, zurückkehren zu sehen.

Die die Einschüchterungskulissen des Islam satt haben.
Die es satt haben, für ihre Angebote an Eingliederungshilfen beschimpft und ausgelacht zu werden.
Die es satt haben, über terrornahe islamistische Vereine zu lesen, über Ehrenmorde, über Morddrohungen gegen Karikaturisten und Filmemacher oder zu hören, daß auf Hauptschulhöfen „du Christ!“ als Schimpfwort benutzt wird.
Die wütend zur Kenntnis nehmen lesen, daß sich westliche Staatsmänner für Frauen in islamischen Ländern einsetzen müssen, weil sie dort als Ehebrecherinnen gesteinigt werden sollen.

Merkwürdigerweise aber sind nun die bei uns lebenden türkischen Mitbürger – und in der SZ am Wochenende werden acht junge vorgestellt – nicht darüber empört, sondern über Sarrazins Buch.
Sollten die Repräsentanten geglückter türkischert Vorzeige-Biografien nicht einwirken auf ihre Landsleute und Milieus, damit der Koran endlich jenes Gesicht von Sanftmut und Nächstenliebe zeigt, das er angeblich haben soll?

Sollten sie nicht ausnahmsweise einmal Sensibilität einfordern bei ihren eigenen Glaubensgenossen, die etwa ausgerechnet am Ground Zero in New York eine Moschee errichten wollen und ein Zentrum für Islam-Studien – ausgerechnet da also, wo im Namen des Islam eines der schlimmsten Verbrechen der Neuzeit geschah?

Und noch mal zurück: Sollten sie nicht zum Beispiel auf den Migrationsrat einwirken, der soeben erfolgreich gegen einen Auftritt Sarrazins während Internationalen Literaturfestivals in Berlin aktiv wurde? Bernd Scherer, der Chef des „Hauses der Kulturen der Welt“ hat sich dem Druck gebeugt und die Veranstaltung abgesagt.

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Matthias Matussek