Die Krawalle in Berlin zeigen, wie realitätsfern unser Staat geworden ist

Die kleinen Meldungen gibt es schon länger: Gewalttaten in der U-Bahn, Angriffe auf Busfahrer, Drogendealer auf Spielplätzen, Müllhaufen in Grünanlagen, Schmierereien an Hauswänden, Raub auf Schulhöfen, Tätlichkeiten gegen Lehrer. Es gab auch Berichte über Straßen, in die sich die Polizei nur noch ausnahmsweise begibt. Die Berichte wurden eilig offiziell dementiert. Das Bild unserer Städte durfte so nicht sein. Allenfalls asollte es um Fehlverhalten von Einzelnen gehen. Waren die Probleme so verniedlicht, konnte man sie auf bunte Karteikärtchen schreiben und "thematisieren".

Wir haben eine Politik, die immer mehr Regeln aufstellt und immer weniger Durchsetzungskraft hat. Ein Politikstil ist eingerissen, der sich mit Gesten begnügt. Man erklärt immer höhere Ziele, während schon in den ersten realen Umsetzungen der Wurm ist. Die Tatkraft des Staates schwindet, sobald es um die elementare Barbarei geht, die sich in unserem Alltag eingenistet hat. Natürlich gibt es auch den Teil des Staates, der damit konfrontiert ist - die Polizisten, Busfahrer, Müllmänner, Feuerwehrleute, Lehrer und viele andere mehr. Polizisten und Lehrer kennen schon seit geraumer Zeit das Bandenproblem, das dazu führt, dass Täter nicht mehr angezeigt werden, weil die Opfer das Umfeld des Täters fürchten. Feuerwehrleute und Reinigungskräfte kennen den schleichenden Prozess zur organisierten Zerstörung und Gewalt, weil sie sich immer häufiger Gruppen und "Umstehenden" gegenübersehen, die eine feindliche Haltung einnehmen.
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