Frank A. Meyer: Bürger Moslem

Sind die Muslime in Europa heute, was die Juden gestern waren? Eine verfolgte und gefährdete Minderheit? Sind Islamfeindlichkeit und Judenfeindlichkeit also letztlich dasselbe? Handelt, wer den Islam bekämpft, wie ein Antisemit?

In der Debatte um ein Minarettverbot fallen Sätze wie der von Hisham Maizar, Präsident der Föderation islamischer Dachorganisationen Schweiz: «Es gibt eindeutige Parallelen zwischen Antisemitismus und Islamfeindlichkeit. Etwa die Sündenbockmentalität: Wenn in Afghanistan jemand hustet, dann ist der Schweizer Muslim dafür verantwortlich.»

In Afghanistan wird nicht gehustet. In Afghanistan wird gemordet: durch schwer bewaffnete Stammeskrieger, durch Selbstmordattentäter, durch die Taliban, durch grausamste Fundamentalisten.

Dagegen wird vom Westen Krieg geführt. Es ist ein Krieg für ein bisschen Freiheit und ein bisschen Gleichheit: für ein menschenwürdiges Dasein der Frauen, für Schulen, die auch Mädchen offenstehen.

Niemand macht Schweizer Muslime für den Terror in Afghanistan – für das «Husten» der Taliban – verantwortlich. Auch nicht für andere Untaten, die im Namen Allahs begangen werden.

Zwischen Islamgegnerschaft und Antisemitismus herrscht ein sehr wichtiger Unterschied:

Ziel des Antisemitismus war stets die Verweigerung von gleichen Rechten. Juden wurden gesellschaftlich geächtet, indem man sie stigmatisierte, ihnen Kleidung aufzwang, die sie auf den ersten Blick als Juden erkennbar machte; indem man den Kontakt mit ihnen mied, christliche Kinder nicht mit jüdischen Kindern spielen liess; indem man Juden in Ghettos ausgrenzte; indem man sie verfolgte durch die Inszenierung von blutigen Pogromen.

Die Geschichte des Antisemitismus ist eine Geschichte der Verweigerung von Freiheit und Gleichheit, von Teilhabe und Mitbestimmung: Juden sollten nicht Bürger unter Bürgern sein – für die Nazis nicht einmal Menschen unter Menschen. Sie sollten vom Erdboden verschwinden, ausgerottet werden wie Ungeziefer. Antisemiten in ganz Europa waren die willigen Helfer von Hitlers Holocaust.

Was hat die Kritik an der mächtigen Weltreligion Islam mit der jahrhundertelangen Verfolgung ohnmächtiger jüdischer Minderheiten zu tun?
Geht es den Islamgegnern um die Ausgrenzung der Muslime? Geht es um die Verweigerung von Freiheit und Gleichheit für Menschen, die sich gen Mekka verneigen? Will man ihnen das Recht vorenthalten, Bürger unter Bürgern zu sein?

Nein. Um das Gegenteil geht es.

Die Muslime sollen sich in unsere Gesellschaft integrieren. Sie sollen Freiheit und Gleichheit unserer rechtsstaatlichen Demokratie akzeptieren, indem sie sich lösen aus der religiösen Unterdrückung, die Koran und Scharia bedeuten. Sie sollen die Gleichberechtigung ihrer Töchter und Frauen akzeptieren, wie sie unsere Rechtsordnung gebietet. Sie sollen ihre Kinder ermutigen, sich zu modernen jungen Bürgern zu entwickeln, verantwortungs-bewusst, leistungsbereit, ehrgeizig, auf ihr berufliches
Fortkommen bedacht.

Die Muslime sollen Bürgerinnen und Bürger werden wie die Bürgerinnen und Bürger ihres Gastlandes, mitgestaltende Menschen einer säkularen, einer offenen Gesellschaft.

Islamkritiker im Geiste von Freiheit und Gleichheit ringen darum, dass die Muslime die Freiheit unserer Kultur akzeptieren, sie ringen darum, dass die Muslime diese Freiheit in ihrem täglichen Leben praktizieren.

Islamkritik ist Kämpfen für Integration – der Muslime; Antisemitismus ist Kämpfen gegen die Integration – der Juden.

Islamgegnerschaft ist deshalb das präzise Gegenteil von Antisemitismus

Frank A. Meyer im blick.ch