Sicher spielt das Ausmaß der sozialen Probleme bei der Bildung politischer Ansichten eine Rolle, und sicher lässt sich auch die Gefahr nicht leugnen, dass sich unter den Muslimen eine neue Unterschicht bildet, die zu einer „classe dangereuse“ werden könnte. Doch warum es dazu kommt, darauf wissen weder Marx noch seine Jünger eine Antwort zu geben.
Werden einige Vertreter dieser neuen „class dangereuse“ militant, weil sie von den Einheimischen (wie muslimische Radikale behaupten) systematisch unterdrückt werden? Oder liegt es daran, dass ein hoher Anteil der Muslime über keinen Schulabschluss verfügt? Überhaupt: Warum gelingt Chinesen und Indern der soziale Aufstieg schneller als den muslimischen Einwanderern? Verfügen jene über andere, bedeutendere Talente als Türken und Araber?
Doch das eigentliche Problem steckt nicht in der Zahl der Einwanderer, sondern in ihrer Integration. In Europa hat es seit eh und je Wanderungen gegeben, wenn auch selten in diesem Umfang. Um Wohlstand und den Sozialstaat zu erhalten, benötigt Europa Einwanderer, aber wo finden sich die begabten und arbeitswilligen jungen Menschen, von denen oben die Rede war?
Etwa die Hälfte der muslimischen Einwanderer in Europa hat erklärt, dass eine Integration in die jeweiligen europäischen Gesellschaften für sie nicht in Frage komme, da sie in krassem Widerspruch zu den Geboten ihrer Religion und Tradition stehe.
Die wirkliche Zahl dieser Integrationsverweigerer wird höher sein, denn unser Wissen über die Stimmung und Ansichten dieser Kreise beruhen auf Umfragen, die keineswegs verlässlich sind.
Artikel auf welt.de
Walter Laqueur: Das alte Europa wird zum Morgenland
Themen:
integration,
islam,
Walter Laqueur