Der staatliche Raubzug gegen die Mittelschicht

er Staat holt sich seinen ungebremst steigenden Finanzbedarf dort, wo etwas zu holen ist. Und das ist nicht bei den Geringverdienern und auch nicht bei den Großverdienern.

Die Gruppe derer, die zwischen 50 und 150 Prozent des mittleren Einkommens verdienen, schrumpft dramatisch. Bis in die 70er-Jahre machte sie noch 74 Prozent der Bevölkerung aus. Vor zwei Jahren waren es nur noch 54 Prozent. Und diese Mittelschicht ist der Hauptleistungsträger der Gesellschaft, der all die Wohltaten – von der Sozialhilfe über die Rentenversicherung (ein Viertel des Staatshaushaltes) bis zum Steuerzuschuss für die Gesundheitsversorgung (mittlerweile 14 Milliarden pro Jahr aus Steuermitteln, Tendenz stark steigend) aus dem laufenden Einkommen heraus abführt.

Diese Fiskalpolitik hat also einen Konstruktionsfehler, den man in der Ökologie als ein sich selbst aufzehrendes System bezeichnet, oder – im Schröder-Deutsch: nicht nachhaltig. Denn was wird der Fiskus denn machen, wenn diese Mittelschicht so zusammen geschmolzen ist, dass sie den weiter steigenden Finanzbedarf des Staates – sprich der Wenigverdiener – nicht mehr befriedigen kann?

Diese Wenigverdiener sind es nämlich, die das Gemeinwesen mit ihren Wohlstands- und Versorgungserwartungen in den Bankrott treiben. Mittlerweile sind es so viele, dass keine große Partei mehr an Ihnen vorbei kommt, wenn sie Wahlen gewinnen will. Längst sind die direkten und indirekten Empfänger staatlicher Leistungen (also in Wahrheit des Steueraufkommens) in der Mehrheit. Eine von staatlicher Sozialpolitik selbst geschaffene Mehrheit, gegen die niemand mehr regieren kann.

Wenn der letzte Mittelständler geschröpft, dem letzten Facharbeiter nichts mehr von einer Lohnerhöhung übrig gelassen wird, dann werden die Sozialapostel in den Volksparteien vielleicht einsehen, dass man nur verteilen kann, was vorher an Wertschöpfung erzielt wird.
welt.de