Damit der Täter nicht als Opfer gilt: Strafe muss sein

Seit dem Mord in der Münchner S-Bahn sind zwei Wochen vergangen und die politische Diskussion ist schon wieder auf einem Verschiebebahnhof gelandet. „Was bei diesen jungen Menschen schiefgegangen ist“, möchte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) wissen. Das ist eine ganz unjuristische Frage. Doch klingt sie verlockend: Wenn etwas „schiefgegangen“ ist, besteht die Hoffnung, dass es unter „guten Umständen“ nicht mehr zu solchen Taten kommt. Man soll sich also mit den Biografien der Täter befassen, mit ihren familiären Umständen, ihrer Schulerfahrung und so weiter. Das ist alles sehr komplex und erfordert vor allem eines: viel Zeit. Vor Maßnahmen, die angesichts dieses Hintergrunds immer „vorschnell“ sind, wird gewarnt. Die Bürger allerdings sollen auf jeden Fall „Zivilcourage zeigen“, während sich die Staatscourage erst mal bedeckt hält.

Im Gegensatz zur Strafjustiz verlagert die Sozialpädagogik die Abwehr der Gewalt in einen längeren Prozess mit offenem Ausgang. Das tut sie nicht aus Verblendung, das ist vielmehr ihre Logik. Weil sie von einer längeren Deformation der Täter ausgeht, muss sie versuchen, ihnen ein Angebot zu machen. Sie muss dem Täter Freiräume gewähren. Über die Gefahren spricht die Sozialpädagogik selten. Auch bei den neuesten Fällen sind die Betreuer wieder „überrascht“. Nie hätten sie vermutet, dass der Täter so etwas machen könnte. Tatsächlich gehören solche Überraschungen zur Offenheit des Programms und verschwinden auch bei Verzehnfachung des Personals nicht. Unsere Gesellschaft muss lernen, dass dieser Ansatz gegenüber der wachsenden Gewalt ein Hochrisiko-Ansatz ist.
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Die Einwände gegen härtere Strafen sind dabei so prinzipiell, dass sie im Grunde das Strafen überhaupt infrage stellen. Man erklärt, eine Strafe schrecke den Täter sowieso nicht ab, und behauptet zugleich, sie „blockiere“ seine Entwicklung. Der Gesichtspunkt der Buße für eine Tat wird damit völlig verdrängt. Zum einen wird die Bringschuld umgekehrt: Nicht der Täter soll etwas für seine Tat auf sich nehmen, sondern die Gesellschaft soll etwas für den Täter tun. Sie ist ja, wegen der „sozialen Umstände“, der eigentlich Schuldige.

Heute könnten wir zum Umdenken gezwungen sein. Die Gewalt im öffentlichen Raum führt uns zu einem Scheidepunkt: Entweder geben wir einen Teil unserer Straßen, Bahnhöfe oder Schulen preis, oder wir besinnen uns auf die gute Tradition einer wehrhaften Rechtskultur. Am Willen der Bürger zur Zivilcourage fehlt es nicht, aber sie hätten gern etwas mehr Staatscourage.
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