Ob auf globaler Ebene oder in der Schweiz: Stets gehen alle Akteure, wenn es um Entwicklungshilfe geht, von ein und derselben Prämisse aus: Mehr Geld bewirkt auch mehr. Die zentrale Frage hingegen, ob Entwicklungshilfe überhaupt etwas bewirkt oder ob vielleicht sogar das Gegenteil der Fall sein könnte – wovon mittlerweile diverse Ökonomen ausgehen –, wird ausser Acht gelassen. Es scheint, Entwicklungshilfe hat für Regierungen noch immer den Charakter von Ablasshandel, bei dem es vor allem darauf ankommt, Altruismus, Mitleid und Grosszügigkeit zu zeigen. Eine florierende Hilfsbranche gibt Geld, zeigt christliche Nächstenliebe und vermeidet damit, sich wirklich mit den Ursachen der Misere auseinanderzusetzen. Politiker zeigen Betroffenheit, ebenso ihre Wähler. Moralisch überlegen und ethisch unangreifbar ist derjenige, der immer mehr Geld für Entwicklungshilfe fordert.
Dennoch ist das Ergebnis gelinde gesagt ernüchternd. Den meisten Afrikanern südlich der Sahara geht es heute schlechter als am Ende der Kolonialzeit. Ihr durchschnittliches Einkommen ist gesunken, während es überall sonst auf der Welt gestiegen ist. Ob Unterernährung oder Analphabetenrate, ob Kindersterblichkeit oder Bevölkerungswachstum: Afrika fällt, einigen relativen Fortschritten zum Trotz, bei all diesen Kennzahlen immer weiter hinter den Rest der Welt zurück. Nur in den Elendsstatistiken steht der Schwarze Kontinent an der Spitze: Lebten damals nur 10 Prozent der Einwohner unter der Einkommensgrenze von zwei Dollar, so sind es heute 70 Prozent. Manchmal scheint es fast, als existierte Afrika ökonomisch schon gar nicht mehr: Sein Anteil am Welthandel macht gerade noch etwas mehr als ein Prozent aus, halb so viel wie 1960.
«Die Hilfe untergräbt die Entwicklung eines unbestechlichen und den Interessen der Bevölkerung dienenden Staatsapparates», sagt der ugandische Journalist Andrew Mwenda.
Entwicklungshilfe verhindere dringend nötige Reformen, die primären Nutzniesser seien afrikanische Regime, ausländische Helfer und internationale Organisationen. Selbst der Erlass von Schulden gebe die falschen Impulse, weil er schlechtes ökonomisches Verhalten belohne und eine Kultur der Verantwortungslosigkeit erzeuge, ist Mwenda überzeugt.
Carmen Gasser
auf weltwoche.ch
Sinnlose Entwicklungshilfe
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