Die SP vergrault den Mittelstand

Heute stärken ausländische Schuldenberge und Euro-Krise die Auffassung, dass staatliches Haushalten à la Suisse – also eher massvoll – nicht so schlecht sein kann. Exzessive Managerlöhne sorgen zwar für Empörung. Aber im Alltag vergleicht man sich nicht mit Superreichen, sondern mit seinesgleichen – und dabei lösen Zuwanderer bis weit in den Mittelstand hinein Konkurrenzängste aus. Ein Thema, um das die SP einen weiten Bogen schlägt.

In den Neunzigerjahren hatte die Öffnungseuphorie viele Links-Liberale hinter die SP geschart. Doch die Lust auf den EU-Beitritt ist weitgehend verschwunden. Jetzt ruft Levrat zur «Schlacht» um die Sozialwerke auf und setzt damit auf Profilierung in einer klassischen Domäne der Sozialdemokratie. Doch selbst hier wird das Spiel für die SP schwierig.

Nein zu tieferen Pensionskassenrenten, Nein zum Frauenrentenalter 65, Nein zu Kürzungen bei Arbeitslosen, Nein zu kostensparenden Ärztenetzen – die Gewerkschaften sind zufrieden, das ist Besitzstandwahrung ganz in ihrem Sinn.

Die SP-Rechnung geht so: Eine möglichst grosszügige Sozialpolitik hält die Gewerkschaften bei der Stange und gefällt auch linken Gutverdienern, da es zu deren Selbstverständnis gehört, solidarisch mit den kleinen Leuten zu sein. Hubacher und andere rechnen anders: Kleinverdiener erhalten in vielen Fällen ohnehin staatliche Zuschüsse, während der Mittelstand am meisten unter wachsenden Abgaben leidet; gegen Massnahmen wie etwa prämiensenkende Ärztenetze zu kämpfen, ist deshalb falsch. Auch deshalb, weil Kleinverdiener schon lange mehrheitlich SVP wählen. Oder gar nicht wählen, weil sie Ausländer sind. Oder sich nicht für Politik interessieren.

derbund.ch